Inhalt |
Kapitel |
Artikel |
Startseite |
Artikel | Die Swahili-Fibel |
Verfasser | Helmut Richter |
verfasst / veröffentlicht / geändert | / / |
Artikel-URL | https://hhr-m.de/sw-fibel/ |
Kapitel | 5. Wortbildungslücken schließen |
Diese Seite | https://hhr-m.de/sw-fibel/wortb-wortart/ |
enthält | Fortsetzung des Kapitels |
Ein wichtiger Mechanismus zur Bildung von Verben besteht darin, dass
Kausativ und Stativ nicht nur aus anderen Verben gebildet werden können,
sondern auch aus Adjektiven und Substantiven. Besonders bei arabischen
Wortstämmen kommt das vor; so sind die folgenden Beispiele bis auf die ersten
beiden arabische Wörter:
fupi (kurz) → fupika (kurz sein) → fupisha (kürzen),
refu (lang) → refusha (verlängern),
safi (sauber) → safisha (reinigen),
laini (weich, glatt) → lainika (weich sein, glatt sein) → lainisha (weich machen, glätten),
imara (Stärke, Standhaftigkeit, standhaft) → imarika (standhaft sein) → imarisha (stärken),
aibu (Scham, Schande) → aibika (beschämt sein) → aibisha (beschämen),
bahati (Glück) → bahatisha (sein Glück versuchen),
shughuli (Tätigkeit) → shughulika (tätig sein) → shughulisha (beschäftigen),
nuru (Licht, Beleuchtung) → nurisha (beleuchten).
Eine weitere, viel seltenere Bildungsmöglichkeit für Verben ist die Silbe -pa, z.B. oga (furchtsam) → ogopa (sich fürchten), nene (dick) → nenepa (dick werden), uwongo (Lüge) → ongopa (lügen).
Aus vielen Verben lassen sich Adjektive bilden, die auf -fu oder -vu enden. Man geht dabei von einer Verbform aus, die auf -aa, -ea, -ia, -oa oder -ua endet, ganz ähnlich wie bei den abgeleiteten Verbformen entweder das Verb selbst oder die Applikativform. Davon ausgehend wird das Schluss-a durch -fu oder -vu ersetzt: angaa (leuchten) → angavu (hell), zoea (gewohnt sein) → zoevu (gewohnt, erfahren), angalia (aufpassen) → angalifu (vorsichtig, sorgfältig), tukuza (ehren) → tukufu (ehrwürdig, herrlich), sahau (vergessen) → sahaulifu (vergesslich).
Ob -fu oder -vu verwendet wird, unterliegt keiner festen Regel; bei vielen Wörtern sind auch beide Formen üblich. Meistens steht nach -a- und -e- eher -vu und sonst eher -fu, aber mit Ausnahmen wie kosefu (fehlerhaft) und vumilivu (geduldig, tapfer). Für kurze, nicht abgeleitete Adjektive gibt es keinen solchen Zusammenhang zwischen dem Vokal und der Endung: chafu (schmutzig), kavu (trocken), refu (lang, hoch), bivu (reif), bovu (faul (Frucht)), vivu (faul (Mensch)).
Aus Adjektiven Substantive zu machen, die Personen bezeichnen, die diese Eigenschaft haben, geht ganz genauso wie im Deutschen durch Substantivierung: zee (alt) → mzee (Alte[r]), geni (fremd) → mgeni (Fremde[r], Gast), vivu (faul) → mvivu (Faulpelz).
Aus Adjektiven Substantive zu machen, die die Eigenschaft bezeichnen, geschieht durch die Vorsilbe u- der Klasse 14: refu (lang, hoch) → urefu (Länge, Höhe), huru (frei) → uhuru (Freiheit), zuri (schön) → uzuri (Schönheit). Wenn das Adjektiv mit Vokal beginnt und nicht von einem mit Vokal beginnenden Wort abgeleitet ist, wird das u- zu w-: ema (gut) → wema (Güte), eusi (schwarz) → weusi (Schwärze), nicht aber etwa bei angalifu (sorgfältig) → uangalifu (Sorgfalt); das ist dieselbe Unterscheidung, nach der sich auch richtet, ob das Adjektiv in der Klasse 9 das Präfix ny- bekommt.
Die Ableitungsketten können auch vom Verb über das Adjektiv bis zu den Substantiven gehen:
tukuza (verherrlichen) → tukufu (ehrwürdig, herrlich) →
mtukufu (besonders ehrwürdiger Mensch) → utukufu (Ehre, Herrlichkeit);
danganya (betrügen) → danganyifu (betrügerisch) →
mdanganyifu (Betrüger) → udanganyifu (Betrug).
Bei der direkten Bildung von Substantiven aus Verben kommt es darauf an, ob das Verb die Bantu-Endung -a hat oder eine arabische Endung, die nie -a ist. Ein arabischstämmiges Verb kann dabei auch eine Bantu-Endung haben, wenn eine der abgeleiteten Verbformen vorliegt, z.B. jadiliana (miteinander diskutieren) als Reziprokform von jadili (erörtern); einige arabische Verben haben auch die Form eines Applikativs, ohne dass es eine Grundform dazu gibt: saidia (helfen), hudhuria (anwesend sein), kusudia (beabsichtigen).
In jedem Fall wird das Substantiv gebildet, indem ein Klassenpräfix davorgesetzt wird (das allerdings in den Klassen 5, 9 und 10 leer ist) und indem oft an Verbstamm oder Endung eine Veränderung stattfindet. Bei Verben mit der Bantu-Endung -a findet diese Veränderung am Wortende statt; bei Verben mit arabischer Endung (-i oder -u, nach h manchmal -e) ändern sich oft die Vokale zwischen den Konsonanten (Details siehe unten unter Klasse 9).
Die Klasse, in der das Substantiv liegen soll, richtet sich nach der Bedeutung: Personen, Dinge oder Abstrakta, und letztere unterteilt in den Vorgang selbst, sein Ergebnis und die zugrundeliegende Fertigkeit. Wo eine Wortbedeutung hingehört, darüber kann man natürlich im Einzelfall streiten; aber die verschiedenen Klassen haben in dieser Hinsicht durchaus unterschiedliche Schwerpunkte.
Hier geht es immer um die Person, die eine Tätigkeit ausführt; die Klasse ist 1→2, daher wird die Vorsilbe m- vorne angefügt.
Bei Verben auf -a ist die Endung -i, wobei es mehrere Varianten gibt, manchmal auch mehr als eine für dasselbe Verb. Die Endungen werden nach den folgenden Regeln gebildet, deren erste drei an die Kausativbildung von Verben erinnern:
Bei Verben, bei denen das -a am Ende nach Vokal steht, wird es durch -zi ersetzt: mtembezi (Spaziergänger, Wanderer), msaidizi (Helfer), mkazi (Einwohner).
Verben, die auf -nda, -nga oder -nza enden, führen zur Endung -nzi: mpanzi (Sämann, Pflanzer) von panda (säen, pflanzen), mfinyanzi (Töpfer) von finyanga (töpfern).
Verben, die auf -ka oder -sha enden, führen zur Endung -shi: mpishi (Koch), mtumishi (Diener), mpatanishi (Vermittler), mwandishi (Verfasser)
Bei Verben, bei denen das -a am Ende nicht nach Vokal steht, wird -ji anhängt: msomaji (Leser), mchungaji (Hirte, Pfarrer), mwindaji (Jäger).
Bei einigen Verben ist sowohl eine Bildung nach einer der drei ersten Regeln als auch ein Anhängen von -ji möglich; dann bezeichnet die Form mit -aji eher eine Person, die die Tätigkeit einmal oder von Fall zu Fall ausführt und die mit -zi oder -shi eine, die sie aus Neigung oder als Beruf regelmäßig ausführt: mwokoaji (Retter, z.B. bei einem Unglück), mwokozi (Retter, Heiland), mlalamikaji (Beschwerdeführer), mlalamishi (Meckerer).
Verben nicht auf -a bleiben unverändert: msafiri (Reisender), mfariji (Tröster), mnadi (Versteigerer), mhudumu (Kellner, Diener).
Bei Zusammensetzungen mit einem Objekt behalten auch Verben auf -a ihre ursprüngliche Form: mpanda baiskeli (Radfahrer), mcheza mpira (Fußballspieler), mla mboga (Vegetarier).
Wörter für Bereiche, in denen man wiederholt tätig werden kann, Berufe und Kunstfertigkeiten werden wie die Wörter des vorangegangenen Abschnitts, jedoch mit der Vorsilbe u- für Klasse 14 gebildet: ufinyanzi (Töpferei), upishi (Kochkunst), ujuzi (Wissen, Know-How), uzungumzaji (Redseligkeit), ulanguzi (Wucher), uwindaji (Jagd), usafiri (Transport). Geht es eher um eine dauerhafte Fähigkeit oder Neigung, kommt auch die Endung -o vor: uwezo (Fähigkeit), upendo (Liebe).
Ganz genau wie im Deutschen können Infinitive als Substantive gebraucht werden, vor allem wenn es nur um den Vorgang als solchen und nicht um sein Ergebnis geht. Der Gebrauch von Infinitiven ist bei den Verbformen erklärt, und es ist Geschmacksache, welchen Gebrauch man als substantivisch betrachten will.
Für viele Verben auf -a werden Substantive für den Vorgang gebildet, indem -a durch -o ersetzt und eine Vorsilbe für die Klasse angefügt wird, nämlich meist m- für Klasse 3, selten auch ki- für Klasse 7 : mwanzo (Anfang), mwisho (Ende), mwendo (Fahrt), mkutano (Treffen), msimamo (Haltung, Standpunkt), mtandao (Rechnernetz), mlio (Laut, Geräusch), kilio (Weinen, Geschrei), chanzo (Ursprung), kifo (Tod), kitendo (Aktion).
Substantive in Klasse 3, also mit m-, gibt es auch von Verben nicht auf -a; das steht im folgenden Abschnitt.
Die häufigste Art, wie aus arabischen Verben Substantive gemacht werden, besteht im Auswechseln der Vokale, meist in Richtung auf mehr a hin. Das entstehende Substantiv ist dann in Klasse 9.
Ist im Verb der erste Vokal ein a, so wird meistens der zweite Vokal auch zu a und oft der letzte auch: safari (Reise), adhabu (Strafe), ahadi (Versprechen), thamani (Wert), hadhara (Veröffentlichung), baraka (Segen), faraja (Trost).
Ist im Verb der erste Vokal kein a, so wird meistens der letzte Vokal zu a: heshima (Respekt), hotuba (Rede, Referat), huduma (Dienst), ruhusa (Erlaubnis), rehema (Mitgefühl), fikira (Gedanken), furaha (Freude), subira (Geduld), shirika (Verein, Organisation).
In einigen Fällen sieht das Substantiv genauso aus wie das Verb: hifadhi (Aufbewahrung, Erhaltung), kabidhi (Übergabe), hesabu (Rechnen).
Bei einigen Verbstämmen werden auf mehr als eine Weise die Vokale ausgetauscht und es ergeben sich Bedeutungsunterschiede: habari (Nachrichten) und hubiri (Predigt) von hubiri, und aus der Wurzel amini kann imani (Glaube), amani (Frieden), amana (Bürgschaft) und uaminifu (Treue) werden.
Es gibt auch Vokalwechsel, die nicht auf diese Muster passen: hatma (Ausbildungsabschluss) von hitimu, amri (Befehl) von amuru, kibali (vi-) (Zustimmung) von kubali, ibada (Anbetung) von abudu.
Eine andere Weise, Substantive aus arabischstämmigen Verben zu bilden, kann im Weglassen der Verbvorsilbe sta- oder im Anfügen einer Substantivvorsilbe m- oder ta- bestehen: ajabu (Wunder) von staajabu, raha (Komfort) und mstarehe (mi-) (Wohlergehen) von starehe, msaada (mi-) (Hilfe) von saidia, msamaha (mi-) (Vergebung) von samehe, taarifa (Mitteilung) von arifu, tafsiri (Übersetzung) von fasiri. Bei diesen Vorsilben gibt es ähnliche Vokalwechsel wie eben beschrieben.
Geht es vor allem um das Ergebnis einer Handlung, so werden Wörter der Klasse 5 gebildet. Verben auf -a bekommen dabei fast immer die Endung -o: jambo (Angelegenheit), tendo (Tat), neno (Wort), tamko (Äußerung). Nur wenige dieser Verben bekommen eine Endung auf -i, die so gebildet wird wie oben unter „Personen“ beschrieben: simulizi (Geschichte), penzi (Neigung, Vorliebe). Verben nicht auf -a bleiben unverändert: shauri (Plan), jibu (Antwort), tumaini (Hoffnung).
Manche Wörter, vor allem der Klasse 5 aber auch 14, werden vor allem im Plural verwendet, auch wo im Deutschen ein Singular stünde: maandiko (Schriften), matokeo (Ergebnisse), mavuno (Ernte), mapenzi (Wille), maoni (Ansichten), makao (Standort), mazoea (Gewohnheiten), maangamizi (Vernichtung), madhumuni (Absichten), majaribu (Versuchungen).
Bei arabischen Wörtern kann ma- auch mit aus dem Arabischen entlehnt sein, weil es dort zufällig ebenfalls eine solche Vorsilbe gibt. Ist ein Substantiv mit ma- als Ganzes entlehnt worden ohne das entsprechende Verb dazu, liegt es oft in Klasse 9.
Die Namen vieler Dinge in Klasse 7 sind von Verben abgeleitet, wobei verschiedene Endungen vorkommen, vor allem -o: kifaa (Utensil), kifungo (Knopf), kifuniko (Deckel), kitanda (Bett), kitambulisho (Ausweis), kinywaji (Getränk).
Hier sind noch ein paar von Verben abgeleitete Substantive, die nicht in eine der genannten Gruppen passen: kiongozi (vi-) (Anführer), usemi (semi) (Redeweise, Phrase), wimbo (ny-) (Lied), ufunguo (f-) (Schlüssel).
Die im vorigen Abschnitt unter „Tätigkeitsbereiche, Fertigkeiten“ beschriebene Zuordnung des Wortes für einen Tätigkeitsbereich (mit u-, Klasse 14) zu dem für einen Ausführenden (mit m-, Klasse 1) gilt dann, wenn die zugrundeliegene Wortwurzel ein Verb ist, vor allem eines mit Bantu-Ursprung. Bei Fremdwörtern, egal ob aus europäischen oder anderen Sprachen, ist aber oft nur entweder das Wort für die Tätigkeit oder das Wort für den Ausführenden ohne Vorsilbe entlehnt worden, und nur das jeweils andere bekommt eine Vorsilbe. Es gibt dabei die folgenden Fälle:
Das Wort für den Ausführenden hat keine Vorsilbe und das für die Tätigkeit bekommt das u-: daktari (Arzt), dikteta (Diktator), injinia (Ingenieur), seremala (Schreiner, Zimmermann). Hier können alle Sprachen Pate gestanden haben, vor allem europäische; hier wars dreimal Englisch und einmal Malagasy.
Das Wort für die Tätigkeit hat keine Vorsilbe und das für den Ausführenden wird gebildet, indem mwana- (wtl.: Sohn) davorgesetzt wird: mwanasheria (Jurist), mwanasiasa (Politiker), mwanasayansi (Wissenschaftler), mwanafalsafa (Philosoph). In wenigen Fällen wird mfanya- (-macher) verwendet: mfanyakazi (Arbeiter, Angestellter), mfanyabiashara (Händler). Hier können ebenfalls die Wörter aus allen Sprachen stammen.
Das Wort für den Ausführenden hat die Vorsilbe m-, die zusammen mit dem Wort aus dem Arabischen (dort mu-) entlehnt worden ist, und das Wort für die Tätigkeit hat keine Vorsilbe oder, ziemlich selten, die Bantu-Vorsilbe u-: msanii (Künstler, zu sanaa), mhisabati (Mathematiker, zu hisabati), mwalimu (Lehrer, zu elimu), mhandisi (Ingenieur, zu uhandisi). Das kann nur bei Wörtern arabischer Herkunft vorkommen.
Die Wörter für die Ausführenden liegen im ersten Fall in Klasse 5, sonst in Klasse 1. Die Wörter für die Tätigkeitsbereiche liegen in Klasse 14, wenn sie die Vorsilbe u- haben, sonst in Klasse 9.
Die Herkunft wird man nicht immer wissen, und sie ist ja auch allein nicht ausreichend, um die Wortform zu bestimmen. Aber europäische Wörter erkennt man meist, und man entwickelt mit der Zeit auch ein Gespür, wie arabische Wörter typischerweise aussehen.